Jetzt auch noch Facebook: Reels werden seit Februar 2022 in 150 Ländern ausgespielt. Bämmm! Hochformatvideos im Seitenverhältnis 9:16 sind somit der neue Standard in allen Sozialen Medien, die auf Bewegtbild setzen. Community war gestern, heute zählt Creation.
Früher quer, heute hoch: Vertical Video hat sich durchgesetzt auf TikTok, Instagram und Facebook.
TikTok: setzt Standards
Facebooks Mutterkonzern «Meta» ist gross, reich, stark. Innovativ? Fehlanzeige. Potenzielle Konkurrenten werden gekauft, potente Konkurrenten kopiert. Mark Zuckerberg kann die Erwartungen der Anleger nicht mehr erfüllen. Im Februar ist der Aktienkurs spektakulär eingebrochen: 240 Milliarden Dollar Verlust innerhalb eines Tages. Das gabs noch nie. Die Gründe: Fake News, Mobbing, Datenschutzdiskussionen, sinkende Nutzerzahlen und andere Plattformen, die beliebter sind. Allen voran TikTok.
Facebook: unter Zugzwang
Immer, wenn Meta resp. Facebook wirtschaftlich unter Zugzwang steht, gehts schnell. In der Corona-Pandemie mit Live Video Calls, in der Aktienkrise mit Reels. Meta schreibt: «Die Hälfte der Zeit, die Nutzer auf Instagram und Facebook verbringen, schauen sie Videos. Reels sind bei weitem unser am schnellsten wachsendes Inhaltsformat.»
- Reels in 150 Ländern ausgespielt
- Im Feed integriert als «Reels und Kurzvideos»
- Eigener Algorithmus
Instagram: kopiert TikTok
Kreativer, unterhaltsamer, echter. TikTok kommt insbesondere bei der Generation Z besser an als Instagram mit seiner geschönten, heisst geglätteten und gefilterten Welt. Adam Mosseri, CEO von Instagram, sagte bereits im Juli 2021: «Wir sind nicht länger eine Fotoplattform. Wir forcieren in den kommenden Monaten Video: Fullscreen, vertiefend, unterhaltend.» TikTok setzt Instagram also stark unter Druck. Erste Massnahmen hat Mosseri eingeleitet:
- IGTV ist weg
- Zwei neue chronologische Feeds
- Bald 1-Min-Videos ohne Sequenzierung in den Stories
In den neuen zwei Feeds «Favoriten» und «Gefolgt» erscheinen die Posts in chronologischer Reihenfolge, ohne Werbung und Empfehlungen. Das ist eine klare Annäherung an die Hierarchie bei TikTok mit dem Discovery Feed (Für dich) und dem Abo Feed (Folge ich). Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch der Reels Feed und der Shopping Feed in einem einzigen, immersiven Feed verschwinden.
YouTube: Kurzvideos «Shorts»
Auch YouTube ist auf den Trend von kurzen, vertikalen Videos aufgesprungen. «YouTube Shorts» heisst das Format, das mit dem Smartphone direkt in der App produziert wird: YouTube in kurz. Musik auswählen, Video aufnehmen, Video bearbeiten, hochladen, teilen – fertig. Ob sich Shorts durchsetzen werden, steht auf einem anderen Blatt Papier. Zweifel sind berechtigt, auch wenn Susan Wojcicki, CEO von YouTube, von einer Erfolgsgeschichte spricht und 100 Millionen Dollars an «Shorts Creators» ausschüttete. Kurze Hochformatvideos wirken auf der Plattform eher deplatziert.
Pinterest: unter dem Radar
Im Windschatten der vier grossen Plattformen entwickelt sich auch Pinterest zu einer Videoplattform – langsam, aber stetig. Pinterest ist eine Inspirationsplattform: neue Ideen und attraktive Produkte an einem Ort gesammelt mit Foto-Pins. Je länger, je mehr tauchen Video-Pins auf den Boards auf: Hochformatvideos bis zu 15 Minuten Länge. Die empfohlene Länge ist kürzer als 60 Sekunden. Es wird spannend zu beobachten sein, wie sich Pinterest entwickelt, nicht nur inhaltlich, sondern auch formal.
Vertical Video lernen
Im Smovie Workshop lernst du, worauf es beim Filmen mit dem Smartphone im Hochformat (9:16) ankommt. Du übst die Methoden des Vertical Storytelling und erstellst deine Videos direkt in In-App (TikTok, Instagram, Facebook) oder mit CapCut, der Gratis-Schnitt-App von TikTok. Mit dem gewonnenen Know-how produzierst du Hochformatvideos auch für andere Plattformen wie LinkedIn.
Hochformatvideos sind eine eigene Disziplin. Warum eigentlich? Und was sind die Folgen für die Produktion?
Hochformatvideos produzieren ist einfach: Smartphone um 90 Grad drehen und los gehts. Leider nein! Vertikale Videos sind eine eigene Disziplin, weil speziell für einen Kanal und dessen Charakteristika produziert. Die fünf grössten Unterschiede zum konventionellen Breitbild kurz erklärt:
Visuelle Wirkung: hoch versus quer
Wir Menschen haben – ohne die Augen zu bewegen – ein horizontales Gesichtsfeld von 180 bis 200 Grad und vertikal von 120 bis 130 Grad. Wir sehen also mehr in die Breite. Videos im Verhältnis 16:9 (quer) entspricht eher unserer Natur als 9:16 (hoch). Vertical Video wirkt fremder – als ob wir Scheuklappen tragen würden wie ein Pferd. Die Konsequenz:
- Kompakter, dichter, krasser
- Mehr Raum in der Tiefe
- Eher Tele statt Weitwinkel
- Linienführung noch wichtiger
- Zentrierte Objekte
- Symmetrische Anordnung
Vertical Video: andere Elemente
Nebst der Visualität kommen hinzu: angesagter Sound, knallige Headlines, ergänzende Untertitel, auffällige Stickers und eine eigene Art des filmischen Storytellings. Auf TikTok funktionieren Head Talks gut (Edutainment), auf Instagram hingegen zählt mehr die Ästhetik.
- Mood, Head Talk
- Visualität, Licht
- Audio, Sounds
- Schnitt, Transitions
- Text, Stickers
Länge: je kürzer, desto besser
Auf Push-Kanälen gilt: je kürzer das Video, desto besser. Deshalb sind die meisten Vertical Videos kürzer als eine Minute. TikTok erlaubt seit Anfang 2022 Filme bis zu 10 Minuten. Das ist ein klarer Angriff auf YouTube, die zweitgrösste Suchmaschine.
- Instagram Reels, Stories, Vorschau im Feed: bis 60 Sekunden
- YouTube Shorts: bis 60 Sekunden
- TikTok: bis 10 Minuten
- Pinterest: bis 15 Minuten
- LinkedIn Feed: bis 30 Minuten
Algorithmus: Creators statt Community
100 Follower und trotzdem 10’000 Views – bei TikTok und mit Reels ist das möglich. Reichweite ist in erster Linie abhängig vom Content und der Interaktion, in zweiter Linie von der Community. Der Algorithmus ist gut darin, auf die Interessen der Nutzerinnen und Nutzer einzugehen. Er richtet sich unter anderem danach, wie lange ein Video angesehen wird, bevor man zum nächsten swipt (Watchtime). Damit dein Vertical Video viral geht, brauchst du:
- Interaktion: Shares, Kommentare, Likes
- Watchtime: Je länger, desto besser
- Tempo: hohes Erzähl- und Schnitttempo
- Verstärker: Musik, Text, Grafics, Stickers
- Videoqualität: abheben von der Masse
- Storytelling: Anfang wichtiger als Ende
Produktion: In-App oder konventionell
Video produzieren ist wie Kochen: gemäss Rezept (Storyline) auf dem Markt einkaufen (Dreh) und die Zutaten auf dem Herd verarbeiten (Schnitt). Das ist die konventionelle Herangehensweise. Lies dazu auch unseren Blogartikel über die besten Schnitt-Apps fürs Videoschneiden auf dem Smartphone.
TikTok, Facebook, Instagram, YouTube und Pinterest bieten den Weg auch In-App an, heisst: filmen, pimpen, posten direkt in der App. Diese lineare Produktion eignet sich insbesondere bei One Takern, also ungeschnittenen Aufnahmen, oder bei einem einfachen Schnitt. Natürlich kann man auch bestehendes Material integrieren, das man in einer Schnitt-App vorproduziert hat.